Rasterwinkel

Im Offset-, Flexo- und Siebdruck ist die Dicke der übertragenen Druckfarbenschicht nicht variabel. Auf eine bestimmte Stelle des Bedruckstoffs wird entweder eine Farbschicht mit bestimmter Dicke übertragen oder nicht. Zwischenstufen und kontinuierliche übergänge wie im fotografischen Halbtonbild sind nicht möglich. Deshalb werden sie im Druck durch Rasterpunkte simuliert.

Periodische Raster, auch autotypische Raster oder amplitudenmodulierte Raster (AM-Raster) genannt, haben konstante Frequenzen; die Anzahl der Rasterpunkte pro Längen- oder Flächeneinheit ist an allen Stellen des Bilds gleich. Variabel ist nur die Größe der Rasterpunkte – hellere und dunklere Farben werden durch kleinere und größere Punkte simuliert.

Rasterwinkel für Graustufenbilder

Beim Druck von Graustufenbildern soll der Raster so gewinkelt sein, dass die Rasterstruktur visuell möglichst wenig stört. Das ist beim Winkel 45° der Fall, weil diagonale Strukturen weniger deutlich wahrgenommen werden als waagerechte und senkrechte.

00-45

Rasterwinkel 0° (links) und 45°

Rasterwinkel für vierfarbige Bilder

Werden zwei oder mehr Raster mit identischen Winkeln übereinander gedruckt, kommt es zur Farbdrift (Farbspiel). Durch unvermeidbare kleine Passerdifferenzen überdecken sich die Rasterpunkte auf einem Druckbogen mehr, auf einem anderen weniger. Deshalb werden die Raster der vier Druckfarben unterschiedlich gewinkelt.

drift

Farbdrift bei gleichen Rasterwinkeln

Beim übereinanderdruck unterschiedlich gewinkelter Raster entstehen Interferenzmuster, die Moirés genannt werden. Das Moiré ist am kleinsten und visuell am unauffälligsten, wenn die Winkeldifferenz zwischen Rastern mit gleicher Frequenz genau 30° beträgt.

moire

Moiré bei 5°, 15° und 30° Winkeldifferenz

Im Vierfarbprozess ist die 30°-Bedingung allerdings nur für drei Druckfarben erfüllbar, indem zum Beispiel die Winkel 15°, 45° und 75° benutzt werden. Der nächste um 30° größere Winkel, also 105°, ist im Ergebnis dasselbe wie 15° (105° – 90° = 15°). Der Raster der vierten Druckfarbe wird deshalb auf 0°, 30° oder 60° gewinkelt. Durch die Winkeldifferenz von nur 15° zum benachbarten Winkel entsteht zwar ein ziemlich grobes Moiré. Es ist aber im Druck praktisch nicht zu sehen, wenn die hellste Druckfarbe, also Yellow, auf den »schlechten« Winkel gelegt wird. Die Winkelzuordnung kann also zum Beispiel so aussehen:

winkelqp

–  Cyan 15°
–  Magenta 75°
–  Yellow 0°
–  Schwarz 45°

Die Winkel für Cyan, Magenta und Schwarz dürfen untereinander vertauscht werden. Nach ISO 12647-2 soll die dominante Druckfarbe – also die Farbe, deren Rasterstruktur visuell am deutlichsten wahrgenommen wird – auf 45° liegen. Beim Unbuntaufbau (GCR) oder beim Buntaufbau mit kräftiger Unterfarbenentfernung (UCR) ist das in der Regel die Druckfarbe Schwarz, vor allem natürlich in Bildern mit dunklen Motiven. In Bildern mit überwiegend orangen oder hellbraunen Farben, zum Beispiel Hautfarben, dominiert dagegen die Druckfarbe Magenta. In diesem Fall ist es günstiger, Magenta auf 45° und Schwarz auf 75° zu legen.

Bei Rastern mit quadratischer Punktform sind die Winkel 45° und 135° nicht voneinander zu unterscheiden. Dasselbe gilt für 15° und 105° sowie 75° und 165°. Raster mit quadratischen Punkten haben zwei gleichwertige Achsen, die einen Winkel von 90° bilden. Bei Kettenrasterpunkten gibt es dagegen eine Hauptachse in Richtung der Rasterpunktketten und eine Nebenachse im Winkel von 90° zur Hauptachse. Die Winkelangaben beziehen sich hier auf die Hauptachse.

quadrpunkt

Raster ohne Hauptachse (quadratische Rasterpunkte)

kettenpunkt

Raster mit Hauptachse (Kettenrasterpunkte)

Bei Rastern mit Hauptachse sind nach ISO 12647-2 Winkeldifferenzen von 60° zwischen Cyan, Magenta und Schwarz einzuhalten.Die Winkelzuordnung kann also zum Beispiel so aussehen:

winkelkp

–  Cyan 15°
–  Magenta 75°
–  Yellow 0°
–  Schwarz 135°

Flexo- und Siebdruck

Im Offsetdruck sind alle Rasterwinkel problemlos verwendbar. Beim Flexodruck gibt es dagegen eine drucktechnisch bedingte Einschränkung: Zur Einfärbung der Druckform dient eine Rasterwalze, deren Oberfläche mit kleinen, regelmäßig angeordneten Näpfchen versehen ist. Durch überlagerung der Näpfchenstruktur mit dem Raster der Druckform können vor allem bei den Rasterwinkeln 0° und 45° (oder 135°) störende Moirés entstehen. Um das zu verhindern, wird das gesamte Rasterwinkelsystem um 7,5° gedreht. Die Abstände zwischen den Winkeln bleiben unverändert; statt zum Beispiel 0°, 15°, 45°, 75° werden die Winkel 7,5°, 22,5°, 52,5°, 82,5° benutzt.

Im Siebdruck kann es zu Moirés kommen, weil sich Rasterstruktur und Maschenstruktur des Siebgewebes überlagern. Deshalb wird entweder das Siebgewebe im Winkel von 7,5° auf den Siebrahmen gespannt oder ein um 7,5° gedrehtes Rasterwinkelsystem wie im Flexodruck benutzt.

Nichtperiodische Raster

Periodische Raster haben konstante Rasterfrequenzen und variable Rasterpunktgrößen. Bei nichtperiodischen Rastern (NP-Rastern) ist es umgekehrt: Die Größe der (sehr kleinen) Rasterpunkte ist konstant, die Anzahl der Punkte je Längen- oder Flächeneinheit ist variabel. Hellere und dunklere Farben werden hier also durch weniger oder mehr Punkte simuliert. NP-Raster werden auch frequenzmodulierte Raster (FM-Raster) oder – wegen der scheinbar zufälligen Anordnung der Punkte – stochastische (zufallsabhängige) Raster genannt.

Aufgrund der unregelmäßigen Anordnung der Punkte entstehen beim Zusammendruck mehrerer Druckfarben keine Interferenzmuster. Die Frage nach Rasterwinkeln stellt sich hier also gar nicht.